Woody Shaw – Der letzte Innovator der Trompete?

Eine tragische Karriere

Nach dem Beitrag über Clifford Brown regte mein Freund Michael Sopper einen über Woody Shaw an. Woody Shaw gilt bei vielen als der letzte Innovator der Jazz-Trompete. Insgesamt verlief die Karriere dieses überragenden Mannes tragisch. Sie hatte ihren Höhepunkt Ende der 70er/Anfang der 80er-Jahre, als er seine eigene Band mit großem internationalen Erfolg führte. Mit seinem Quintett mit dem Posaunisten Steve Turre, Mulgrew Miller am Piano, Stafford James, Bass, und Tony Reedus, Schlagzeug, gastierte er zweimal kurz hintereinander für die damalige Musikerinitiative Braunschweig im dortigen Lindenhof. Für diejenigen, die dabei waren, eine lebenslange Erinnerung: Pechschwarzer, feuriger Straight-Ahead-Jazz, oft mit Latin-Rhythmen und liedhaften, lyrischen Themen, die meist von Woody Shaw komponiert waren. Wenn seine Musiker Soli spielten, bewegte sich Woody langsam rhythmisch auf der Bühne und vollführte Tai-Chi-Übungen. Das wirkte sehr spirituell. Damals wusste ich noch nicht, dass Shaw sein Erwachsenenleben über heroinsüchtig war.

Mit dieser Band gastierte Woody Shaw in Braunschweig. Zu ihrer Zeit galt sie neben dem Phil Woods Quintet als eine der besten akustischen Bands des Jazz.


Sideman bei Blue Note

In den 60ern war er als Sideman in den Bands von Horace Silver und Art Blakey bekannt geworden. Beim Plattenlabel Blue Note spielte er – ebenfalls als Sideman – einige Platten ein. Besonders wichtig war dabei „Unity“ (1965) des Organisten Larry Young mit Joe Henderson, Tenorsaxophon, und dem nicht unterdrückbaren Master-Drummer Elvin Jones. Diese umwerfende Platte enthält drei Stücke des sehr begabten Komponisten Shaw. Eines seiner bekanntesten ist „The Moontrane“.

Einflüsse: Dolphy, Brownie, Morgan, Hubbard

Seine ersten Plattenaufnahmen hatte er mit Eric Dolphy, dem er nach Paris folgte, wo er kurze Zeit lebte und von wo aus er Europa bereiste. Später – zum Ende seiner Karriere – trat er deshalb bei Festivals in Europa mit der „Paris Reunion Band“ auf.

Dolphy hatte großen Einfluss auf ihn, wie auch die Trompeter Clifford Brown, Lee Morgan und besonders Freddie Hubbard. Ian Carr, selbst Trompeter, schrieb über ihn: „Shaw konnte sich Mitte der 70er Jahre von Hubbards starkem Einfluss lösen und einen höchst individuellen Stil entwickeln, der in seine Musik ein ‚inneres‘ Spiel (mit dem Akkord) und ein ‚äußeres‘ (mit akkordfremden Noten, die diesen überlagern) integrierte.“

„The Moontrane“ hieß das Album (Muse), mit dem Woody seinen Durchbruch hatte. Sein Produzent war der damals junge Michael Cuscuna, der danach auch seine Plattenaufnahmen beim Major-Label Columbia leitete. Sie sind vollständig als Box erschienen.

Foto: T. Geese

Der Vertrag bei Columbia war sicher auch dadurch entstanden, dass Woody Shaw und Louis Hayes mit ihrer gemeinsamen Band dem Tenorsaxophonisten Dexter Gordon sein Comeback in den USA ermöglichten. Dexters Doppelalbum „Homecoming“ auf Columbia wurde ein Riesenerfolg und leitete die Rückkehr zum Bop ein.

Nach diesem Song haben wir unsere erste Tochter benannt. Die Besetzung: Dexter Gordon, ts; Woody Shaw, tp; Ronnie Mathews, p; Stafford James, b; Louis Hayes, dr

Als früherer Blue-Note-Künstler war Shaw am großen Revival-Konzert für dieses Label beteiligt. Hier ist er zusammen mit seinem alten Kumpel Jackie McLean und einer Giganten-Band mit McCoy Tyner, Cecil McBee und Jack DeJohnette zu hören und zu sehen.

Mitte der 80er ging es bergab. Ohne Band reiste Shaw wie ein Nomade durch die Welt. Eine schmutzige Nadel sorgte für eine HIV-Infektion, seine langjährige Augenkrankheit verschlechterte sich, bei einem Sturz vor eine U-Bahn in New York verlor er einen Arm und starb drei Monate später am 10. Mai 1989 im Alter von 44 Jahren. Ein schreckliches Drama.

Sein Nachlass wird von seinem Sohn Woody III betreut, der an einer Biografie über seinen Vater schreibt und eine ihm gewidmete Website betreibt.

4 Antworten auf „Woody Shaw – Der letzte Innovator der Trompete?“

  1. Lieber Thomas, das ist ein tolles Projekt von Dir. Deine Artikel sind sehr informativ und machen Lust auf diese (unsere) Musik. Woody Shaw habe ich natürlich gleich aufgelegt bzw. mir noch fehlende Aufnahmen zugelegt. Hier die beiden Live-Alben aus dem Onkel Pö. Hardbop pur. Ich schätze Deine Sachkompetenz, die Auswahl (Vorstellung) der Alben bzw. die Videoauswahl auf Youtube. Die kurzen Artikel sind wie Appetithappen. Straight No Chaser. Ran ans Regal und Mucke aufgelegt. Ich habe noch eine Anregung für Deine Seite. Als Buchhändler fände ich auch eine kleine Vorstellung von Jazz-Literatur gut. Ich empfehle Deine Seite sehr gerne weiter. keep swinging.
    Michael Sopper

      1. Hallo Thomas, das Feld ist ja sehr groß. Sachbücher, Biographien, Bildbände und Romane. Ich schlage Dir vor, eine kleine Bibliothek nach Deinem Geschmack zusammenzustellen. Es müßen ja keine Rezensionen sein. Einfach ein kleiner Überblick, für einen Grundstein, einer Jazzbibliothek. P.S. Muß jetzt noch Deinen Artikel über Nica lesen. Bis bald. keep swinging.

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