Nica Rothschild – Songs für die Jazz-Baroness

Interessanter als ihre kann eine Biographie kaum sein. Aufgewachsen als reiche Rothschild-Erbin, verheiratet als Diplomatengattin, Mutter von fünf Kindern und schließlich als legendäre Mäzenatin des modernen Jazz in New York in einem komplett neuen Leben: Kathleen Annie Pannonica (Nica) Rothschild, verheiratete de Koenigswarter, geb. 1913, gestorben 1988.

Schutzpatronin der Bopper

Sie war die Schutzpatronin der Bop-Musiker, immer zur Stelle, wenn jemand Fürsorge, Geld oder ärztliche Hilfe benötigte. Ihr Lebensstil war auffällig und für die Boulevardpresse der 50er bis 80er-Jahre ein gefundenes Fressen. Ihre Hotelsuites waren stark frequentierte Anlaufstelle vorwiegend schwarzer Künstler. Die Jam-Sessions in ihren Räumen waren ebenso laut wie berüchtigt und den (weißen) Hotelbetreibern ein Dorn im Auge. Besonderes Aufsehen gab es, als Charlie Parker in Ihrem Apartment starb. Nica hatte dem todkranken „Bird“ das letzte Obdach gegeben.

In einem Interview schildert T.S. Monk, der Sohn des großen Thelonious Monk, ihre Großzügigkeit:

Pannonica – Ein Schmetterling aus Ungarn

Später hatte sie eine Villa in Weehawken, New Jersey, in der ihr Schützling Thelonious Monk seine letzten Lebensjahre verbrachte. Monk hatte ihr zu Ehren die Ballade „Pannonica“ geschrieben. Ihr Name ist der eines Schmetterlings, den ihr danach forschender Vater in Ungarn entdeckt hatte.

Biografie: Die Jazz Baroness

Nicas Nichte Hannah Rothschild schrieb über Nica eine sehr gut zu lesende Biografie.

Außerdem ist Hannah Rothschild für einen erhellenden Dokumentarfilm verantwortlich, den man hier in voller Länge sehen kann:

Nicas Buch: Die Jazzmusiker und ihre drei Wünsche

Wer sich bemüht, bekommt antiquarisch das Buch „Die Jazzmusiker und ihre drei Wünsche“, in Deutschland erschienen bei Reclam, Stuttgart. In diesem für Jazzfreundinnen und -freunde unverzichtbaren Werk befinden sich dokumentarische Polaroidfotos, die vorwiegend die Baroness in großer Zahl machte. Außerdem hatte sie die bei ihr ein und aus gehenden Künstler nach deren drei Lebenswünschen gefragt, die sie in der Absicht aufzeichnete, sie zu veröffentlichen. Das geschah erst postum im Jahr 2006. 300 Wunschlisten sind zusammen gekommen. Man erfährt einiges, manchmal mehr oder weniger tiefsinnig, oft ernüchterndes von den Heroen des modernen Jazz. Ein paar habe ich unten zitiert.

Foto: T. Geese

Für Nica wurden zahlreiche Kompositionen geschrieben. Einige Beispiele habe ich hier versammelt.

Kenny Drew

„Blues for Nica“ – Kenny Drew (Piano)

Hier sind seine drei Wünsche:

1. Zu spielen!

2. Zu spielen!

3. Jemanden zu lieben!

Sonny Clark

„Nica“ – Sonny Clark (Piano, Komposition)

Seine Wünsche:

1. Geld!

2. Alle WEIBER der Welt!

3. Alle STEINWAYS!

Max Roach

Noch einmal „Nica“ von Sonny Clark – gespielt von Max Roach (Schlagzeug) und seiner Band

Sein Wunsch:

Wünsche äußern zu dürfen wäre ein überflüssiger Luxus für mich, weil ich schon ALLES habe, was ich haben möchte. … DAS IST DAS WICHTIGSTE AUF DER WELT!

Freddie Redd

„Nica steps out“ – Freddie Redd (Piano)

Wünsche:

1. Eine Ranch und Pferde.

2. Durch die ganze Welt reisen zu können.

3. Das perfekte Ensemble!

Art Blakey’s Jazz Messengers

„Nica‘s Dream“ – Art Blakey’s Jazz Messengers (Komposition: Horace Silver)

Blakeys Wünsche:

1. Dass Du mich LIEBTEST!

2. Dass Art junior aus dieser Scheiße rauskommt, in der er drinsteckt!

3. Dass ich geschieden wäre und wir heiraten würden.

Dee Dee Bridgewater (Gesang)

Und hier eine Version von „Nica’s Dream“ von Dee Dee Bridgewater aus ihrem Horace-Silver-Programm:

Gigi Gryce

„Nica’s Tempo“ – Gigi Gryce (Altsaxophon)

Tommy Flanagan

„Thelonica“ – Tommy Flanagen (Piano)

Flanagans drei Wünsche:

1. Ich würde gern ewig leben …

2. … bei guter Gesundheit …

3. … und in einem kleinen sicheren Heim, um das genießen zu können.

Und nun die Gesangsversion von Pannonica. Der Text stammt vom „James Joyce des Jive“, nämlich von Jon Hendricks. Er schrieb ihn praktisch aus dem Handgelenk bei einem Zusammentreffen mit Thelonious Monk. Die Aufnahme stammt von der Platte „Carmen Sings Monk“, einem späten Meisterwerk der großen Sängerin Carmen McRae.

Carmen McRae

„Pannonica“ – Carmen McRae (Gesang)

Ihre Wünsche:

1. Ich wünsche mir, dass es mehr Leute gäbe, die gute amerikanische Musik schätzten!

2. Ich wünschte, mein Vater wäre am Leben. (Die Reihenfolge ist falsch. DIES sollte an erster Stelle kommen … und dann das andere …)

3. Ich hoffe, dass ich es kapieren werde, wenn meine Zeit abgelaufen ist.

Und hier noch der Wunsch des großen Miles Davis:

„WEISS zu sein.“

P.S. Unsere jüngere Tochter haben wir Nica genannt. Tatsächlich hat auch sie, wie die berühmte Jazz-Baroness, extravagante Eigenheiten entwickelt.

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