Charlie Haden
Virtuose technische Brillanz ist nicht das heraus stechende Merkmal dieses großartigen Musikers. Charlie Haden bewegte sich in bedacht schlichten Figuren gern mit mächtigem Ton in den mittleren und tiefen Lagen seines alten französischen Kontrabasses. Er gilt als der erste Bassist, der keine Changes spielte, sondern in der Lage war, spontan aus den ungebundenen Melodien seiner Kollegen des Ornette Coleman Quartetts harmonische Grundlagen zu konstruieren.
Tägliche Radio-Show mit Countrymusik mit der Familie
Charlie Haden wurde 1937 in eine musikalische Familie geboren, die eine tägliche Radiosendung mit Countrymusik in Shenandoah, Iowa, gestaltete. Dort wirkte er schon im Kindesalter mit. Sein Interesse am Jazz führte ihn 1957 nach Kalifornien. In Los Angeles arbeitete Haden mit Art Pepper, Elmo Hope und Hampton Hawes. Regelmäßig hatte er Auftritte mit Paul Bley, in dessen Band zeitweilig auch Ornette Coleman und Don Cherry spielten. Charlie wurde schließlich Mitglied des klassischen Ornette Coleman Quartetts, dem außer ihm und Coleman der Trompeter Cherry und die Schlagzeuger Billy Higgins bzw. Ed Blackwell angehörten. Er war an den ersten Platten dieses Quartetts und auch an der epochalen Aufnahme „Free Jazz“ beteiligt, die der Jazz-Revolutionär Coleman mit einem Doppel-Quartett realisierte
Mit Ornette Coleman in New York
Das Coleman-Quartett war nach New York gegangen, wo Charlie Haden – wie so viele andere zu der Zeit – heroinabhängig wurde. 1964 kehrte er nach einer erfolgreichen Therapie gesund auf die Jazzszene zurück. Neben seinen nun wieder regen musikalischen Aktivitäten half er als Berater Drogenabhängigen.
Polititik mit Jazz, Bass und Verstand
Ende der 60er arbeitete Haden mit dem „Jazz Composers’ Orchestra“ um Carla Bley zusammen, aus dessen Kreis er die Angehörigen seines „Liberation Music Orchestras“ für eine berühmte Platte (1970) und Auftritte rekrutierte. Der Name deutet darauf hin: Haden machte nun Jazz mit klarer politischer Mission. Er setzte sich für die Rechte der Schwachen ein und verdammte Kolonialismus und Unterdrückung. 1971 wurde er in Portugal von der Bühne weg verhaftet, als er seine Komposition „Song For Che“ der schwarzen Bürgerrechtsbewegung widmete.
In den folgenden Jahren traf er in den unterschiedlichsten Projekten mit Musikerinnen und Musikern wie Alice Coltrane, Hampton Hawes, Keith Jarrett, Jan Garbarek und vielen mehr zusammen. Wie sein Lehrer Red Mitchell liebte es Haden kammermusikalisch, meist im Duo, mit Partnern zu arbeiten. Beispielhaft sei hier seine Platte „Beyond The Missouri Sky“ mit dem Gitarristen Pat Metheny genannt: Zwei Jazzer mit Country-Wurzeln treffen aufeinander (und gewinnen einen Grammy).
Herzensprojekt: „Quartet West“
1986 gründete dieser erste Bassist des freien Jazz seine eigene Band „Quartet West“. Mit dem Tenorsaxophonisten Ernie Watts, dem Pianisten Alan Broadbent und den Schlagzeugern Billy Higgins bzw. Larance Marable spielte Haden die Stücke aus dem „Great American Songbook“ und Filmkompositionen. Mit dieser im Wortsinn „schönen“ Musik erreichte die Band weltweit ein breites Publikum.
In seinen letzten Jahren, Charlie Haden starb 2014, war er wegen eines kapitalen Hörsturzes stark eingeschränkt. Er spielte mit speziellen Ohreinsätzen und hatte – auch bei Live-Auftritten – eine Art Kabine aus Plexiglas um sich, die ihn vor hoher Lautstärke schützen sollte.