„Neben der möchte ich morgens nicht aufwachen!“, so fasste der selige Michael Naura seine Erfahrungen mit Betty Carter zusammen. Er hatte für den NDR ein Konzert mit der Sängerin und ihrem Trio produziert. Tatsächlich, Betty Carter war eine überaus selbstbewusste, kämpferische und unbestechliche Frau, die künstlerisch keine Kompromisse einging. Das hat ihr das Überleben im Musik-Business nicht leicht gemacht.
Als „Betty Bebop“ bei Lionel Hampton
Sie wurde 1930 als Lillie Mae Jones geboren. Als junge Sängerin hatte sie in den 40er Jahren Gelegenheit, mit dem größten aller Bebopper, Charlie Parker, zu jammen. Der damals revolutionäre Bop behielt sie für die Dauer ihrer Laufbahn in den Klauen. Ihren ersten wichtigen Job hatte sie von 1948 bis 1951 noch als „Lorraine Carter“ in der Lionel Hampton Big Band. Hampton erkannte ihre Leidenschaft für den neuen Jazz und nannte sie „Betty Bebop“. Das mochte sie zwar nicht, behielt aber den Vornamen bei und nannte sich fortan Betty Carter.
Die ersten Platten unter ihrem Namen erschienen zwischen 1956 und 1965. Sie wiesen Betty Carter als zukunftsorientierte Bebop-Vokalistin aus. Ein Album zusammen mit Ray Charles erregte 1961 Aufsehen. Bis heute ist es ein anerkanntes Meisterwerk. Doch anschließend wurde es still um die Sängerin. Sie zog ihre Kinder auf und erschien erst Ende der 60er wieder auf der Szene. Ihr Stil war nun offener; sie setzte ihr dunkles Timbre überaus individuell und frei ein, wobei sie gelegentlich eigene Kompositionen, jedoch vorwiegend Standards interpretierte – und verfremdete. Dabei war es mitunter schwierig, die Stücke noch zu erkennen, so stark veränderte sie deren Charakter. Rasend schnelle Tempi wechselten mit extrem langsamen Passagen. Betty Carter war unverwechselbar.
Die kompromisslose Künstlerin
Da der Jazzmarkt zu der Zeit sehr schwierig war, gründete sie ihr eigenes Label mit dem Namen Bet-Car und brachte fortan ihre Platten selbst heraus. Sie bekam ein wenig das Image einer Underground-Künstlerin, wobei ihre Reputation ständig wuchs. Üblicherweise ließ sie sich von einem Pianotrio begleiten. Ihre Bands waren eine Talentschmiede, aus der Musiker wie die Pianisten John Hicks, Jacky Terrasson, Mulgrew Miller, Cyrus Chestnut oder der grandiose Schlagzeuger Ralph Peterson jr. hervorgingen.
Ihr unverkennbarer Stil und ihre radikale künstlerische Konsequenz trugen schließlich Früchte. In den letzten zehn Jahren ihres Lebens wurde sie von vielen für die bedeutendste lebende Jazz-Sängerin gehalten. Tourneen und Festivalauftritte führten die streitbare Frau auf die großen Bühnen der Welt. Übrigens auch nach Braunschweig: Dort trat sie 1993 im Staatstheater mit einem „All Star Trio“ auf, dem Geri Allen, Piano, Dave Holland, Bass, und der Drummer Jack DeJohnette angehörten. Betty Carter starb 1998.