Arrangements für Miles‘ „Birth of the Cool“
Der Baritonsaxophonist Gerry Mulligan war 24, als er 1951 nach Kalifornien kam, um einen Neustart zu wagen. Als ganz junger Mann war er zuvor in New York nicht nur als Instrumentalist aufgefallen, sondern hatte als Arrangeur unter anderem bei Gene Krupa oder Claude Thornhill gearbeitet. Den „Birth of the Cool“-Aufnahmen von Miles Davis hatte er einen dicken Stempel aufgesetzt. Die Mehrzahl der Arrangements dieser epochemachenden Formation stammten von ihm.
Neustart in Kalifornien mit Chet Baker
Um seine Drogenprobleme hinter sich zu lassen, war er mittellos nach Los Angeles getrampt, um dort in der West-Coast-Szene mit Arrangements für Stan Kenton Fuß zu fassen. Für ein Engagement im Club „The Haig“ stellte er eine Combo zusammen, zu der der Bassist Bob Whitlock, der Schlagzeuger Chico Hamilton und der Trompeter Chet Baker gehörten. Ein Harmonieinstrument wie Klavier oder Gitarre war nicht dabei. Der Legende nach soll diese Besetzung durch Zufall entstanden sein, als ein vorgesehener Pianist nicht erschienen war, Baker stattdessen einstieg und Mulligan mit seinem Spiel begeisterte. Die Band schlug ein wie eine Bombe. Mulligan und Baker – die sich menschlich nicht sonderlich gut verstanden – harmonierten musikalisch prächtig miteinander. Die Soli des jeweils anderen unterstützen sie kontrapunktisch mit intelligenten Melodielinien. Die Themen – viele von Mulligan geschrieben – waren elegant und singbar, die Melodieführung in den Soli scheinbar unkompliziert und leicht.
Überhaupt Baker: Er wurde in dieser Zeit zum Superstar. Wegen seines dazu noch blendenden Aussehens nannte man ihn später den James Dean des Jazz. Er hatte schon während dessen Aufenthalts an der Westküste mit dem Bebop-Genie Charlie Parker gespielt. Parker hatte die Trompeter in New York nach seiner Rückkehr gewarnt, sie sollten sich vor diesem kalifornischen Talent in Acht nehmen.
Titel wie „Nights At The Turntable“, „Walkin’ Shoes“, „Soft Shoe“, „Line For Lyons“ und viele Standards in originellen Interpretationen gingen in die Jazzgeschichte ein und haben bis heute nichts von ihrer Frische verloren. Der Song „My Funny Valentine“ wurde zur Signatur Bakers bis zu seinem tragischen Tod im Jahr 1988.
Zwei Jahre reichten zur Legende
Das Quartett mit Mulligan und Baker existierte nur etwa zwei Jahre bis zu einem mehrmonatigen Gefängnisaufenthalt Mulligans wegen eines Drogenvergehens. Als Mulligan die Band wiederbeleben wollte, erhob der neue Trompeten-Star Baker derartig hohe finanzielle Forderungen, dass es zwischen den Musikern zum Bruch kam. In späteren Jahren kam es zu gelegentlichen Revivals für Aufnahmen und Konzerte.
Während Gerry Mulligan seine Karriere bis zu seinem Tod 1996 mit großen Erfolg in den verschiedensten Projekten fortsetzte, wurde die Chet Bakers immer wieder von Drogenabstürzen, Gefängnisaufenthalten und damit zusammen hängenden Problemen unterbrochen. Seit 1975 lebte er in Europa und erlebte dort das Comeback einer Jazzlegende.