The Charles Mingus Sextet feat. Eric Dolphy

So long Eric – Abschied von Dolphy

„So long Eric“ nannte der Bassist, Komponist und Bandleader Charles Mingus im Nachhinein ein Stück, das seine Band im Frühjahr 1964 bei Konzerten spielte. Eric Dolphy hatte sich entschlossen, die Band und die USA in Richtung Europa zu verlassen. Dolphy, der u. a. mit John Coltrane und Ornette Coleman gearbeitet hatte und ein führender Mann des neuesten Jazz war, fühlte sich von der US-Kritik missachtet. Zu wenige Auftrittsmöglichkeiten – und damit Existenzsorgen – hatten zu seinem Entschluss geführt, dem Mutterland des Jazz den Rücken zu kehren. Tragisch, dass er kurz nach seinem Start in Europa schwer erkrankte. Bei einem Konzert in Berlin brach er zusammen. Zwei Tage später, am 29. Juni 1964, starb er an einer vorher nicht diagnostizierten Diabetes-Erkrankung. Der cholerische und streitbare Mingus machte nicht nur die deutschen Ärzte, die er als rassistisch bezeichnete, sondern vor allem die amerikanischen Jazzkritiker für seinen Tod verantwortlich. Letztere hätten ihn aus den USA vertrieben und insofern eine rechtzeitige Behandlung verhindert.

Mingus‘ beste Band?

Etliche Auftritte der Mingus-Band mit dem Multiinstrumentalisten Dolphy – er spielte Altsaxophon, Bassklarinette und Flöte – sind durch Mitschnitte sehr gut dokumentiert (ein Beispiel dafür ist unten zu sehen). Zur Band gehörten außerdem Mingus’ langjähriger Partner Dannie Richmond am Schlagzeug, der Trompeter Johnny Coles, der Tenorsaxophonist Clifford Jordan sowie der Pianist Jaki Byard. Byard beherrschte die komplette Spannweite des Jazz-Pianos vom Stride bis zur Avantgarde und passte auch deshalb ideal in das Konzept von Mingus. Dessen Kompositionen speisten sich aus der gesamten Jazzentwicklung. Häufige Tempoveränderungen waren ein Stilmittel, genauso wie seine Fähigkeit, auch ein Sextett durch geschickte Arrangements wie eine wesentlich größere Formation klingen zu lassen. Seine Musik, in der ständig etwas Neues passierte, war ein Abenteuer für seine Musiker wie für das Publikum. Wilde, scheinbar chaotische, Passagen wechselten sich mit sanften ab, immer mit einem soulgetränkten swing. Spontaneität war ein wesentliches Merkmal, weshalb Mingus großen Wert darauf legte, dass seine Musiker die oft komplizierten – auf der Bühne sehr langen – Stücke auswendig beherrschten. Mit Richmond verband Mingus ein schlafwandlerisches, telepathisches Verständnis, das die von ihm initiierten Tempoverschiebungen erst möglich machte.

Mingus’ Besetzungen wechselten häufig (die Zusammenarbeit mit Dannie Richmond war eine Ausnahme); er unterhielt jahrelang einen „Jazz Workshop“, in dem er seine Kompositionen einstudierte. Charles Mingus war einer der größten Bandleader und Komponisten des Jazz. Er schuf eine völlig eigenständige Musik. Mingus starb 1979 mit 56 Jahren nach einer schweren Muskelerkrankung.

Seinen jüngsten Sohn, 1964 geboren, nannte er „Eric Dolphy Mingus“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert