Shelly Manne: Der Melodie-Trommler

Innovator am Drumset

Shelly Manne war einer der Innovatoren des modernen Schlagzeugspiels. Er glänzte nicht als Solist, sondern diente als musikalischer Poly-Rhythmiker zahllosen Musikern, Combos und Big Bands. Der 1920 geborene Manne war ein Wunderkind des Schlagzeugs. Er hatte erst mit 17 Jahren angefangen und war in kürzester Zeit ein viel gesuchter Profi. Interessant ist, dass er wenig Wert auf eine formale Ausbildung an seinem Instrument legte. Er versuchte von Beginn an, als kreativer Melodie-Trommler die jeweils gespielte Musik optimal zu unterstützen. Der bekannte West-Coast-Drummer Larry Bunker sagte über ihn:

„In einem streng formalen Sinn konnte Shelly kaum Schlagzeug spielen. Wenn man ihm ein Paar Sticks und eine Snare gegeben und ihn aufgefordert hätte, Rudiments zu spielen – einen offenen und geschlossenen Wirbel, Paradiddles und all diese Dinge – er hätte nicht nach viel geklungen. Er hatte nie ein derartiges Training und war auch gar nicht daran interessiert. Für ihn kam es darauf an, das Schlagzeug mit der Musik zu spielen. Er konnte mehr Musik in vier Takten spielen als fast jeder andere. Seine Trommeln klangen hinreißend. (…) Nach Hören von drei oder vier Takten wusste man, es ist Shelly.“ (zitiert aus: Korall, Burt: Drummin‘ Men, The Bebop Years, New York 2002)

Studioarbeit: Jazz, Film, Fernsehen

Shelly nahm zahllose Platten als Sideman und als Leader auf. Dazu arbeitete er pausenlos in den Hollywood-Studios und wirkte an Filmen und Fernsehserien mit.

Er spielte zum Beispiel die Drumparts für Frank Sinatra in dem Film „Der Mann mit dem goldenen Arm“. Er war so etwas wie der Hausschlagzeuger des West-Coast-Labels „Contemporary“. Shelly, der extrem vielseitige Bopper und Mainstreamer, spielte auf der zweiten LP von Ornette Coleman, die bei „Contemporary“ erschien: „Tomorrow is the Question!“ . Oder 1976 mit Tom Waits auf der legendären Platte „Small Change“. Ein Resultat seiner Arbeit in den Film- und Fernsehstudios waren verschiedene Platten mit Jazz-Scores von Serien oder Filmen. Hier das umwerfende „My Manne Shelly“ vom Album „Son of Gunn“ (Es gibt zwei Platten mit Themen aus „Peter Gunn“, einer damals sehr populären Detektivserie.):

Shelly Manne & His Men

Sein Werk ist groß. Wir wollen hier auf seine Liveaufnahmen mit seiner Band „Shelly Manne & His Men“ hinweisen. Man kann auf diesen Platten studieren, welch ein gefühlvoller, dynamischer Begleiter Shelly war. Er schien telepathische Fähigkeiten zu besitzen, die es ihm ermöglichten, den Verlauf und die Wendungen der Soli seiner Mitstreiter vorauszusehen. Seine Band wechselte häufiger das Personal, das sich oft aus dem Umkreis des Stan-Kenton-Orchesters rekrutierte.

In dieser kompletten TV-Sendung (Oscar Brown jr. ist der Gastgeber) sehen wir die „Men“ in einem typischen Programm. Man achte auf den wunderbaren Richie Kamuca am Tenor, einem Mann der eleganten Lester-Young-Schule, die unter den Saxophonisten an der Westküste so verbreitet war.

Eine komplette Folge der Reihe „Jazz Scene USA“, mit dem Gastgeber Oscar Brown jr.

Aus dem Jahr 1959 stammen vier Platten, die Lester Koenig für sein Contemporary-Label live im Jazzclub „Black Hawk“ in San Francisco aufnahm: „Shelly Manne & His Men live at the Black Hawk, Vol. I bis IV“. Inzwischen gibt es eine in Spanien produzierte Box, die diese Aufnahmen – mit erst später veröffentlichen zusätzlichen Takes – in chronologischer Folge präsentiert. Dazu gibt es die original Liner Notes der Originalplatten und einen neuen Einführungstext. Diese Aufnahmen sind eine Referenz für mitreißenden Straight-Ahead-Jazz in heißer Club-Atmosphäre.

Die kompletten Aufnahmen aus dem Black Hawk, erschienen bei „Jazz Dynamics“, Foto: T. Geese

Als Hörbeispiel bietet sich „How Deep Are The Roots“ an, ein Stück von Horace Silver. Bei der Themenvorstellung lässt sich sehr schön verfolgen, wie Shelly die Melodie mittrommelt.

Shelly Manne – Die „Manne Hole Recordings“

Eine weitere berühmte Club-Aufnahme ist – auf zwei Platten ebenfalls bei Contemporary herausgekommen – „Shelly Manne & His Men live at the Manne Hole“. Shelly hatte einen eigenen Club in Los Angeles, eben „Shelly’s Manne-Hole“. Auch diese Aufnahmen sind auf einem spanischen Label sehr sorgfältig wiederveröffentlicht worden. Sie zeigen Shelly und seine Band in entspannter Hochform.

Unerwarteter Tod 1984

Shelly Manne hielt sich von Drogen wie von Alkohol fern. Er war das Muster eines hart arbeitenden Profis. Seine Leidenschaft waren Pferde. Mit seiner Frau Flip besaß er einige. 1984 starb er völlig überraschend an einer Fettembolie, die als Folge eines eigentlich harmlosen Reitunfalls auftrat.

Am 11. Juni 2020 wäre sein 100. Geburtstag gewesen.

Dieses Video zum Abschluss unserer Huldigung zeigt Shelly ein Jahr vor seinem Tod mit einer Allstar-Formation unter der Leitung des Arrangeurs und Trompeter Shorty Rogers.

Ach so: Hält jemand diesen West-Coast-Jazz für blutarm?

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