Red Mitchell

Ein Kontrabass für 12 Stangen Zigaretten

Unter seinem richtigen Namen Keith Moore Mitchell kannten ihn vermutlich nur seine Verwandten. Für die Jazzwelt hieß der 1927 geborene bedeutende Bassisten nur „Red“ Mitchell, was natürlich seiner Haarfarbe geschuldet war. Red hatte früh Klavier gelernt; während seines Ingenieurstudiums kamen noch das Altsaxophon und die Klarinette dazu. Tatsächlich hatte er seine ersten Jobs als Pianist. Doch die Zeiten verschlugen ihn nach Deutschland, wo er als Soldat stationiert war und in einer Armyband spielte. Von einem Deutschen kaufte er gegen zwölf Stangen Zigaretten einen Kontrabass, und in kurzer Zeit entwickelte er sich zu einem viel gefragten Bassisten. Red war ein Bopper, spielte zuerst im Orchester Woody Hermans, dann in dem aufregenden Red Norvo Trio mit dem Gitarristen Tal Farlow. Schließlich ließ er sich in Los Angeles nieder und wurde einer der führenden Musiker des West-Coast-Jazz. Er spielte fortan mit jedem namhaften Vertreter dieser eleganten Ausformung des modernen Jazz. Scheuklappen kannte er nicht: Er nahm an „Tomorrow is the Question“ teil, einer der ersten Aufnahmen des Avantgardisten Ornette Coleman. Besonders seine Verbindung mit dem Pianisten Hampton Hawes hielt über viele Jahre.

Arbeit in den Studios

Wie so viele Musiker verdiente Red Mitchell in den 60er-Jahren sein Geld mit der Arbeit in den Filmstudios. Das sicherte ihm ein komfortables Einkommen, ohne seine Leidenschaft für den Jazz in den Clubs und bei zahllosen Plattenaufnahmen zu vernachlässigen. Bei einer Aufnahme der Musik zu der Detektivserie „Peter Gunn“ hatte Red ein Duo mit dem Schlagzeuger Shelly Manne zu spielen, in der auf das tiefe C gehen musste. Das führte ihn dazu, seinen Bass in Quinten statt in Quarten zu stimmen, was er für die Zukunft beibehielt.

Red galt als zuverlässiger, hart swingender Begleiter und ideenreicher Solist, dessen hornartige Phrasierung ein Erkennungsmerkmal ist. Er war ein Geschichtenerzähler am Bass.

Politischer Mensch

Mitchell engagierte sich politisch gegen den Vietnamkrieg oder für die Bürgerrechtsbewegung. Die Studioarbeit verlor zunehmend ihren Reiz, zumal Red nicht bereit war, sich für die musikalische Untermalung von Filmen herzugeben, die Gewalt verherrlichten. Er entschloss sich, alles hinter sich zu lassen und zog 1968 nach Schweden. Dort setzte er seine musikalischen Aktivitäten unvermindert fort, spielte mit Europäern oder begleitete amerikanische Kollegen, die sich auf der Durchreise befanden. Seiner Heimat stattete er sporadisch musikalische Besuche ab.

Red Mitchell war ein Meister des Duospiels. Es gibt zahlreiche Platten, die ihn mit Sängerinnen (zum Beispiel mit Karin Krog oder Helen Merrill) oder anderen Instrumentalisten kombinieren. Eine enge Verbindung bestand zwischen ihm und dem Meistergitarristen Jim Hall. Und selbst solo schaffte er es, die Zuhörerinnen und Zuhörer über zwei Plattenseiten in Bann zu ziehen.

Nur wenige Monate nach seiner Rückkehr in die USA starb er 1992 an einem Herzinfarkt.

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