Einer der ersten „Weltmusiker“
Ein puristischer Jazzmusiker wollte Herbie Mann, der 1930 geboren wurde, nie sein. In den 50er Jahren hatte er seine ersten Aufnahmen noch als Tenorsaxophonist gemacht. Auch als Bassklarinettist machte er von sich reden: Bei Riverside erschien 1957 seine sehr originelle Platte „Great Ideas of Western Mann“. Doch schließlich konzentrierte er sich auf die Querflöte, durchstreifte die verschiedenen Randbereiche des Jazz und verknüpfte sie miteinander – ein Pionier dessen, was später „Weltmusik“ hieß. Mann wurde zu einem der besten Virtuosen der Flöte. Bedenken, kommerzielle Erfolge zu haben, waren ihm fremd. Er widmete sich mit seinen Bands der brasilianischen, afrikanischen und orientalischen Musik. Immer wieder entstanden Platten, die es in die Charts schafften. Sein erster großer Erfolg war „Herbie Mann At The Village Gate“ mit seinem Superhit „Comin’ Home Baby“.
„Memphis Underground“ – Ein Hammer
Ein regelrechter Hammer aber war die LP „Memphis Underground“ (Atlantic) von 1968. Zu der Besetzung gehörten drei (!) Gitarristen, eine Orgel, ein Vibrafon und – das war das Wichtigste – eine Rhythmusgruppe, die unzählige Aufnahmen der R&B-Hit-Fabrik „American Studios“ in Memphis zu verantworten hatte. Jazz kombiniert mit dem extremen Groove aus Memphis, das war etwas Neues! Drei Stücke der Platte waren Cover berühmter Soul-Titel. Das hypnotischste jedoch war „Memphis Underground“, komponiert von Mann. Auch heute noch entwickelt die Aufnahme einen unwiderstehlichen Sog.
Anders als andere Flötisten wie Yusef Lateef oder Roland Kirk setzte Mann auf einen reinen Ton, Überblastechniken oder Obertöne verwendete er fast gar nicht. Er spielte mit starker rhythmischer Orientierung, bei schnellen Stücken mit großem Können. Stilistisch lotete er ständig neue Richtungen aus, produzierte andere Künstler, spielte mit bekannten Rockmusikern, gründete eigene Plattenfirmen und gab in den 80er Jahren viele Solokonzerte. Herbie war die Verkörperung des Begriffs „Crossover“. Er öffnete vielen Musikern die Tore zu populären Spielformen und erntete andererseits die Missgunst derer, die ihm seinen Erfolg neideten.
Heute ist dieser schillernde Star der Flöte, der 2003 starb, fast vergessen. Ein Grund mehr, sich an ihn zu erinnern und ihn mal wieder aufzulegen.