August 2025

Rolf Kühn

Die Klarinette ist im modernen Jazz längst nicht so häufig vertreten wie das Saxophon. Das war in der Zeit der Swingorchester anders. Viele Bands wurden von Star-Klarinettisten angeführt, denken wir nur an zum Beispiel Artie Shaw, Woody Herman oder – natürlich – Benny Goodman. Im Jazz der 40er und 50er Jahre gab es nur wenige Musiker, die die Klarinette in die Moderne führten: Buddy DeFranco, Jimmy Guiffre oder Tony Scott. Alles Amerikaner.
In diesen illustren Kreis der führenden Klarinettisten des Jazz schaffte es der in Leipzig aufgewachsene Rolf Kühn.

Kühn wurde 1929 in Köln geboren. Er lernte Klavier und Klarinette und machte erste Jazz-Erfahrungen durch die Pianistin Jutta Hipp. Als ein nach Nazi-Ideologie geltender „Halbjude“, war Rolf eine akademische Ausbildung verwehrt. Mit dem Orchester Kurt Henkels hatte Kühn erste professionelle Auftritte in Leipzig. 1952 verließ er die DDR in Richtung Westen, trat mit dem Orchester Werner Müller und auch mit eigener Gruppe auf. 1956 ging er in die USA und spielte dort mit zahlreichen Top-Musikern und auf Festivals. Sein Ritterschlag war die Leitung des Benny-Goodman-Orchesters für die Dauer einer Tournee.

1961 kehrte er den USA den Rücken. Dem dort herrschenden Konkurrenzdruck wollte er sich nicht länger stellen. In Deutschland wurde er mit offenen Armen empfangen. In Hamburg leitete er die NDR-Studioband, tourte mit den German All Stars und arbeitete ab 1967 als Musical- und Operndirigent; außerdem komponierte er Filmmusiken.

Nebenbei spielte er – auch zusammen mit seinem jüngeren Bruder Joachim – kompromisslosen Free Jazz. Kurz nach dem die Jazzwelt schockierenden Tod John Coltranes traten er und Joachim 1967 mit einem Quartett beim Newport Jazz Festival auf. Die Plattenfirma Impulse brachte damals eine tolle Platte mit dem Titel „Impressions of New York“ heraus.
Seit 1986 war er musikalischer Leiter des „Theaters des Westens“ in Berlin.

In den Jahrzehnten bis zu seinem Tod 2022 trat Rolf Kühn wieder vermehrt auf, gern mit jungen Musikern. Auch in einem hohen Alter suchte und fand er kreative Ausdruckmöglichkeiten. Oft spielte er mit seinem Bruder, sowohl für Plattenaufnahmen als auch in Konzerten.

Er war einer von wenigen europäischen Musikern, die in den USA volle Anerkennung erfuhren.

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